Wenn das Baby in der Komfortzone bleiben möchte

Heute ist er. Der herbeigesehnte Tag. Nach 280 langen Tagen. Der Tag, an dem das fremde Wesen wie erwartet eintreffen würde.

«ET» – nicht das Wesen, der Geburtstermin. Genauer: Errechneter Geburtstermin. Wie er im Fachjargon genannt wird.

Doch wie jede Frau mit einem ET weiss: ET, in Prozenten ausgedrückt, ist maximal vier. Vier Prozent aller Babys kommen dann, wenn man mit ihnen rechnet. Alle andern sind zum ET bereits da. Oder – deutlich weniger gewünscht – eben nicht da.

Der ET ist sowas wie ein Grenzposten. Der das Ende der Wohlfühlzone markiert. Denn ab dem ET sind sowohl Mama wie Kind parat. Und ab jetzt ist das Wachstum des Kindes nicht mehr bloss erfreulich, sondern auch potenziell geburtskanalverengend.

Frauen, die wir am ET treffen – was üblich ist, aber die meisten wünschen sich, wir sähen uns bereits früher – sind langsam schwangerschaftsmüde. So auch Frau B., deren ET just heute ist. Ihr geht’s gut. Dem Baby auch, denn – so Frau B. – man merke deutliche Fortschritte des regelmässigen bauchinternen Boxtrainings. Schlafen ginge eigentlich noch, wären da nicht die häufigen Klobesuche. Über alles gesehen jedoch deutlich besser als von allen prophezeit. Und mehr als parat für die bevorstehende Geburt.

Jetzt aber hängt das Damoklesschwert über ihr und wiegt schwer. «Falls ihr Baby nicht in ein paar Tagen von alleine kommt, werden wir die Geburt einleiten müssen», so ihr Arzt. Und Einleiten wäre so gar nicht das, was sich Frau B. für ihre erste Geburt wünschen würde.

Um dies zu verhindern, kriegt Frau B. von uns exklusive Hebammen-Tipps, um dem Baby das Leben im Bauch etwas ungemütlicher zu machen.

Am selben Nachmittag sieht man Frau B. also den Gurten, den Berner Hausberg, hinaufwandern. Das Köfferchen für’s Spital an der Talstation deponiert. Doch das Kind? Freut sich ab der frischen Höhenluft und tut, was es aktuell am liebsten macht: Boxen.

Wir bieten ihm Wehentee und Spagyrikspray zur Abwechslung. Auch ein paar Nädeli an wehenfördernden Stellen werden gespiekst.

Vier Tage später ist das Baby immer noch dort, wo es gemäss ET nicht mehr sein sollte.

Die Frau berichtet stolz über ihr wehenförderndes Programm. Spazieren, Wohnungsputz sogar inklusive Fenster. Als Belohnung hat sie vermehrt einen harten Bauch. Das ist auch schon alles.

Wir ändern die Taktik

Statt aktiv Hochglanzpolitur soll Frau B. Pause machen. Ein Buch lesen, nichts tun. Mit dem Partner einen gemütlichen Abend planen. Auswärts essen gehen, am besten beim Thailänder das Menu mit den drei Pepperochini. Je schärfer, umso wehenfördernder.

Eine Woche über dem ET. Die Einleitung ist nicht mehr nur Option sondern in drei Tagen Mittel der Wahl. Ärztlich verordnet. Frau B. ist gar nicht happy.

Zu viele Horrorgeschichten von Freundinnen und der Schwester. Geschichten von unsäglich schmerzhaften Wehen, keine Pausen, ein einziger Krampf, unfähig, die Kontrolle über die Schmerzen und den eigenen Körper zu behalten. Wir reden über ihre Ängste und den konkreten Ablauf.

Doch noch geben wir nicht auf. Phase drei beinhaltet: Tägliche Akkupunktur. Wehentee. Bauchmassage mit wehenanregenden ätherischen Ölen. Ausgedehnte Spaziergänge.

Wie ärztlich verordnet hält Frau B. drei Tage später ihr Baby in den Armen. Und das Beste: Eine Einleitung war nicht nötig, der Kleine hat es sich in der Nacht vor dem Termin überlegt und sich auf den Weg gemacht.

Ja, manchmal muss man mit der Einleitung bloss drohen…

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